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Mit Dellwo durch die Stadt

Mit Dellwo durch die Stadt
Eine Fotoarbeit von Ilka Grüneberg und Karl-Heinz Dellwo, 1998
Layout: Chris Zander
Druck: Drucktechnik Odenthal

Mit Unterstützung durch die Kulturbehörde Hamburg

Vorwort: Ludwig Seyfarth

An einem Bahndamm steht ein Schuld mit der Aufschrift "Vollzug". Dieses Wort hat natürlich noch eine zweite Bedeutung. wenn diese nicht wäre, hätte Karl-Heinz Dellwo wohl kaum ein Foto von gerade diesem Schild gemacht. Wer zwanzig Jahre seines Lebens in deutschen Hochsicherheitstrakten verbracht hat, sieht die Welt anders. Die Frage, ob diese andere Sicht darstellbar, für andere nachvollziehbar sein kann, wurde zum Ausgangspunkt einer ungewähnlichen Zusammenarbeit.

Es begann, für unser Medienzeitalter angemessen, mit einer Fernsehsendung. Ehemalige Mitglieder der RAF wurden hier übere ihre Vergangenheit und ihre heutige Einstellung zu ihr befragt, unter anderem Karl-Heinz Dellwo. Er war 1975 am Anschlag auf die deutsche Botschaft in Stockholm beteiligt, bei dem vier Menschen ums Leben kamen. Als 23jähriger verurteilt zu lebenslanger Haft, wurde er 1995 auf Bewährung entlassen und lebt jetzt in Hamburg. Ilka Grüneberg sieht diese Sendung. Unmittelbar fasziniert von seiner Lebensgeschichte, will sie Dellwo persönlich kennenlernen. Das gelingt, und beide finden schnell einen Draht zueinander.

Gemeinsam gehen sie durch Hamburg und fotografieren. Die Alltäglichkeiten und Situationen, die Dellwo auffallen, sind deutlich geprägt von seiner langen Inhaftierung. Er ist es, der stets auf den Auslöser drückt, es sei denn, beide sind auf dem Foto. Der Selbstauslöser hält sie bei einem Kneipenbesuch fest. Die Situation wirkt privat. Dellwo erscheint nicht als eine "besondere" Person, die er für die meisten menschen auch nicht ist. Trotz einiger Fernsehauftritte oder Zeitungsinterviews ist sein Gesicht keines, das jeder auf der Straße kennt. Er kann einkaufen oder ein Bier trinken gehen, ohne angestarrt oder angesprochen zu werden.

Die Gefahr, daß die Fotos wie die Selbstinzenierung mit einem Prominenten wirken, kann gar nicht erst aufkommen. Aber Dellwo darf etwas sein, was er zwanzig Jahre nicht sein konnte und in den Medien immer noch nicht ist: eine Privatperson"

Ludwig Seyfahrt